- Kraftwagen: Der geliebte Umweltverschmutzer
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Zur Jahresmitte 1998 waren in der Bundesrepublik Deutschland 41,7 Millionen PKWs zugelassen. Zwar sinkt die jährliche Kilometerleistung pro Fahrzeug seit Jahren kontinuierlich — ein Effekt der verbreiteten Zweit- und Drittfahrzeuge —, doch erhöht sich die Verkehrsdichte ständig. Der Benzinverbrauch ist nach wie vor hoch: Im Durchschnitt aller Neuwagen beträgt er 7,6 Liter pro 100 Kilometer. Symptome für Systemüberlastung durch diese Bestände sind Dauerstaus, nicht nur zu Ferienzeiten oder Feiertagen, mit jährlich neuen Rekordlängen. Mit der Annäherung an amerikanische Verhältnisse zeigten sich auch hierzulande die Folgen der Vollmotorisierung: Landschaftsveränderung und Systemüberlastung, vor allem aber Unfälle und Umweltschäden. Das Auto bedroht die Substanz der Städte, verbraucht die Landschaft, belastet die Luft und tötet jährlich weltweit Hunderttausende.Emissionen des AutoverkehrsBau, Betrieb und Entsorgung von Personenwagen sind wegen der hohen Stückzahlen sehr umweltschädlich. Vor allem die Emission von Schadstoffen wie Kohlenmonoxid (CO), unverbrannten Kohlenwasserstoffen (HC) und Stickoxiden (NOx) ruft schwere Probleme hervor. Bei NOx wie bei CO stammt der größte Teil des Gesamtemissionsvolumens in der Bundesrepublik aus dem Straßenverkehr.Die Emissionen des Autoverkehrs gerieten durch die Umweltbewegung ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Ausgehend von den USA, wo die hohen Fahrzeugbestände schon früh Probleme bereiteten, wurde seit den 1960er-Jahren stufenweise eine Reihe von gesetzlichen Vorschriften zur Reduktion der verschiedenen Emissionen getroffen, die auch in anderen Ländern übernommen wurden und zu geringeren Belastungen geführt haben. Beispielsweise sind die Autos leiser geworden, asbestfreie Bremsbeläge sind heute die Norm, Blei wurde vollständig aus dem Treibstoff verbannt, der Gehalt an Krebs erregendem Benzol reduziert. Vielen dieser Maßnahmen gingen langwierige Debatten zwischen den Umweltverbänden, Autoherstellern und politischen Interessenverbänden voraus.Den größten Fortschritt aber — bei grundsätzlicher Beibehaltung der Technik — brachte die katalytische Reinigung der Abgase. Dabei werden die Abgase in Gegenwart eines Katalysators im Auspuffsystem in harmlosere Substanzen umgewandelt.Solche Abgaskatalysatoren bestehen im Wesentlichen aus einem meist keramischen Träger, auf den eine Edelmetallschicht, meist Platin, aufgedampft ist. Es laufen dann folgende drei Reaktionen — daher Dreiwegekatalysator — ab: Durch Zugabe von Sauerstoff werden Kohlenmonoxid (CO) zu Kohlendioxid (CO2) sowie Kohlenwasserstoffe zu CO2 und Wasserdampf reduziert, und Stickoxide lassen sich durch Reaktion mit CO zu CO2 und elementarem Stickstoff reduzieren. Für diese Reaktionen muss die zur Verbrennung des Kraftstoffs zugeführte Luftmenge gleich der theoretisch erforderlichen Menge sein. Mithilfe einer Lambdasonde misst man bei geregelten Katalysatoren — heute Stand der Technik — den Sauerstoffgehalt des Abgases, und bei Abweichungen vom Sollwert 1 : 14,7 wird die Zusammensetzung des Kraftstoff-Luft-Gemischs elektronisch korrigiert.Die Katalysatoren reduzieren die Menge der Schadstoffe zwar entscheidend, auf die Emission des Treibhausgases Kohlendioxid haben sie jedoch keinen Einfluss, denn der CO2-Ausstoß hängt direkt von der Menge des verbrannten Benzins ab. Da Motoren, die mit Katalysator ausgerüstet werden, einen etwas geringeren Wirkungsgrad und so einen etwas höheren spezifischen Verbrauch haben, erhöht der Katalysator den CO2-Ausstoß sogar.Auch für Dieselfahrzeuge wurden Grenzwerte formuliert und schadstoffärmere Motoren eingeführt. Hier bilden sich durch die höheren Verbrennungstemperaturen mehr Stickoxide als bei Ottomotoren, gleichzeitig entstehen Rußpartikel, die im Tierversuch Krebs erregende Wirkung zeigen. Auch Dieselmotoren lassen sich mit Katalysatoren kombinieren, allerdings verhindert der Ruß die Verminderung der Stickoxide, sodass ein einfacher Oxidationskatalysator ausreicht. Rußfilter werden zurzeit schon in LKWs und Bussen eingesetzt. Die darin abgeschiedenen Rußpartikel werden verbrannt. Die ersten Rußfilter für Großserien-PKWs sind für das Jahr 2000 angekündigt.Langlebigkeit, Ressourcenschonung, RecyclingVerbesserter Korrosionsschutz der Autos war ein Optimierungsziel insbesondere der 1990er-Jahre. Damit ist eine Phase des Autobaus vorüber, bei der die Karosserie oft eine Lebensdauer von nur fünf bis sechs Jahren hatte. Bei den heute eingesetzten Maßnahmen sind vor allem serienmäßiger Unterbodenschutz, die elektrophoretische Tauchgrundierung der Rohkarosserie, die Versiegelung von Schweißnähten, der Einsatz von Kunststoffen und die teilweise Verzinkung der Karosseriebleche zu nennen.Doch hier entsteht ein Dilemma: Sind die Fahrzeuge langlebiger und werden sie länger gefahren, so können sich emissions- oder verbrauchsvermindernde Techniken nur langsamer auf den Fahrzeugbestand auswirken. Andererseits erfordert die Produktion von Neuwagen Energie und Rohstoffe, und bei der Verschrottung der Altwagen fallen Schrott und Schadstoffe an. Der Umweltschaden durch den Ersatz könnte sogar größer ausfallen als der Umweltnutzen durch einen Neuwagen. Leider lassen sich die Zusammenhänge nicht genau berechnen, da zu viele Parameter eingehen und man etwa Luftschadstoffe gegen die Abfallstoffe aufrechnen und bewerten muss.Auch die tatsächlichen Fahrleistungen spielen eine große Rolle: Ein »umweltverschmutzendes« Altfahrzeug, das als liebevoll gepflegter Oldtimer meistens in der Garage steht, belastet die Umwelt sicher weniger als ein viel gefahrener Katalysatorwagen. Psychologisch trägt der Katalysator aber zur Gewissensberuhigung des Besitzers bei — er hat eher das Bewusstsein, ein »umweltgerechtes« Auto zu fahren.Die Entsorgung von Altautos, also PKWs, die nicht mehr fahrbereit sind und als Abfall verschrottet werden, ist seit April 1998 in der Bundesrepublik durch eine Verordnung geregelt. Demnach werden in einem Verwertungsbetrieb sämtliche Betriebsflüssigkeiten und -mittel des PKW (wie Kraftstoff, Öl, Wasser, Kühl- und Schmiermittel, Stoßdämpferöl, Kältemittel aus Klimaanlagen) abgesaugt. Ferner müssen alle großen Kunststoffteile (zum Beispiel Stoßfänger, Armaturengehäuse), Räder, Scheiben, Sitze und alle kupferhaltigen Teile wie Elektromotoren entnommen und verwertet werden. Unter Umständen können auch gut erhaltene Einzelteile ausgebaut und aufbereitet werden. Die Entsorgung bezahlt der letzte Halter des Fahrzeugs. Für die Zukunft gilt außerdem eine Selbstverpflichtung der Kfz-Industrie, alle PKWs, die nach dem 1. April 1998 erstmals zugelassen wurden und nicht älter als zwölf Jahre sind, kostenlos zurückzunehmen. Ab Januar 2006 soll eine EU-Richtlinie die Altautoentsorgung verbindlich regeln.Landschaftsverbrauch und ZersiedelungDas deutsche Straßennetz umfasste 1997 insgesamt 231 280 Kilometer Straßen des überörtlichen Verkehrs, davon 11 246 Kilometer Bundesautobahnen, 41 490 Kilometer Bundesstraßen, 86 790 Kilometer Landes- beziehungsweise Staatsstraßen und 91 150 Kilometer Kreisstraßen. Hinzu kommen rund 421 000 Kilometer Gemeindestraßen. Für jeden PKW sind 200 Quadratmeter betoniert oder asphaltiert worden. Damit liegt der Flächenverbrauch aller Autos in den alten Bundesländern höher als die Wohnfläche aller Wohnungen in der Bundesrepublik. Doch nicht nur der fahrende, auch der ruhende Verkehr benötigt Platz: Ein PKW-Stellplatz benötigt mit Zufahrt rund 28 Quadratmeter Platz — ein Kinderzimmer hat in Deutschland oft nur die Hälfte davon.Der Neubau von überörtlichen Straßen wurde in den letzten Jahren deutlich reduziert, es werden praktisch nur noch Lücken im Autobahnnetz geschlossen und Ortsumgehungen gebaut. Dabei ist mittlerweile nachgewiesen, dass längst nicht jeder Straßenbau Staus verhindert oder den Anwohnern nützlich ist: So geht nach Untersuchungen des Heidelberger Umwelt- und Prognoseinstituts etwa beim Bau von Umgehungsstraßen beispielsweise die Zahl der durch Lärm Geschädigten selbst kurzfristig kaum zurück.Dr. Kurt MöserWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Kraftwagen: Fahren mit trügerischer Sicherheit - VerkehrsunfälleGrundlegende Informationen finden Sie unter:Kraftwagen: InfrastrukturAltautoverwertung. Grundlagen, Technik, Wirtschaftlichkeit, Entwicklungen, Beiträge von Georg Härdtle u. a. Berlin 1994.Automobilrecycling. Stoffliche, rohstoffliche und thermische Verwertung bei Automobilproduktion und Altautorecycling, herausgegeben von Joachim Schmidt und Reinhard Leithner. Berlin u. a. 1995.Autorecycling. Demontage und Verwertung. Wirtschaftliche Aspekte, Logistik und Organisation, Beiträge von Holger Püchert u. a. Bonn 1994.Die ökologische Dimension des Automobils. Beiträge von Dusan Gruden u. a. Renningen 1996.Petersen, Rudolf / Diaz-Bone, Harald: Das Drei-Liter-Auto. Berlin u. a. 1998.
Universal-Lexikon. 2012.